Sonnenaufgang über dem Río Chepu

Mystische Insel Chiloé

Auf der Insel Chiloé im chilenischen Norden Patagoniens scheint die Welt stehen geblieben zu sein. Hier geht alles langsamer voran als auf dem Festland, morgendliche Nebelschwaden ziehen von der Pazifikküste um Wälder, Seen und Flüsse. Die Chiloten leben in einfachen Holzhäuschen, asphaltierte Straßen sind keine Selbstverständlichkeit und den täglichen Bedarf decken Tante Emma Läden. Daher bekommen wir auf Chiloé den Eindruck, am Ende der Welt gelandet zu sein. In gewisser Weise ist es das auch: nach Westen kommt hier nur noch die Datumsgrenze und irgendwann Neuseeland. Durch seine Abgeschiedenheit und die Bemühungen der Chiloten, sich von der chilenischen Regierung abzugrenzen, hat sich auf Chiloé eine eigenständige Kultur entwickelt. Architektonisch zeigt sich das zum Beispiel durch die Palafitos – Holzhäuser auf Stelzen an Seen und Flüssen – oder die Kirchen aus Holz, von denen einige zum UNESCO Weltkulturerbe gehören. Außerdem kursieren auf Chiloé unzählige geheimnisvolle Mythen und Sagen, die an den rauen Küsten und in den verwunschenen, nebligen Wäldern sehr glaubwürdig wirken. So soll in den Wäldern der Insel der Kobold Trauco hausen, der Jungfrauen auflauert, um sie zu schwängern. Der Fährmann Tempilcahue wartet an der Küste auf die Seelen, die vom Ende der Welt ins Paradies wollen.

Diese verwunschene Insel will erkundet werden und genau das habe ich mit Lena und Hannah, mit denen ich gerade zusammen reise, auch getan. Eines vorweg: Wir sind länger auf Chiloé geblieben als geplant und die Insel hätte uns beinahe nicht mehr losgelassen.

Cucao: Beschwerliche Reise an das Ende der Welt

Da wir auf dem Weg an das Ende der Welt sind, dauert die Anreise nach Cucao, unserem ersten Ziel auf Chiloé, ziemlich lange. Wir starten um 7 Uhr mit dem Bus von Bariloche (Argentinien). Die Fahrt von dort in die Hafenstadt Puerto Montt dauert inklusive Grenzübergang nach Chile 7,5 Stunden. Das liegt unter anderem daran, dass der süße, aber strenge Labrador, der das Gepäck auf Nahrungsmittel kontrolliert – man darf so gut wie nichts mitnehmen – mit seiner Pfote auf meinen Handgepäck-Rucksack und den großen zeigt. Ergebnis: Ich muss alles auspacken, sie finden aber natürlich nichts. Von Puerto Montt geht es direkt weiter mit einem Bus nach Castro, der Hauptstadt Chiloés, hier ist jetzt eine Fährfahrt dabei. Schließlich bringt uns ein lokaler Minibus noch in ca. 1,5 Stunden von Castro in das Dörfchen Cucao. Dort wartet mit unserem Hostel aber die Belohnung für alle Strapazen. Das Palafito Cucao Hostel ist der Traum jedes Backpackers: ein schön dekoriertes Holzhaus mit Veranda am Fluss, große Zimmer mit breiten und bequemen Betten, genug saubere Badezimmer und ein Hammer-Frühstück mit Vollkornbrot, Avocado, Ei, Obst, Joghurt und Müsli. Wer länger in Südamerika war, weiß, warum ich deswegen so begeistert bin.

Holzkirche in Castro

Holzkirche in Castro

Das Palafito Cucao Hostel

Das Palafito Cucao Hostel

Wohnzimmer im Palafito Cucao

Wohnzimmer im Palafito Cucao

Relaxen am Río Cucao

Relaxen am Río Cucao

Fluss Cucao

Fluss Cucao

Nebelwald und raue Küste im Nationalpark Chiloé

Schnell passen wir uns dem langsamen Tempo der Insel an. Gemütlich streifen wir durch die Wälder des Nationalparks Chiloé, wo man die Sagen um Trauco und Co. schnell glaubt. Vor allem hoffen wir aber, einem Pudu zu begegnen, dem kleinsten Hirsch der Welt, der aussieht wie eine Mischung aus Hirsch und Bär, vielleicht noch mit einem bisschen Wildschwein gemischt. Ein chilenischer Wolpertinger sozusagen. Leider treffen wir heute keinen, dafür bestaunen wir die vielen endemischen Pflanzenarten, die auf Chiloé wegen der abgeschiedenen Lage entstanden sind: Moose, Farne oder das Mammutblatt Gunnera, das aussieht wie riesiger Rhabarber. Der Weg führt uns schließlich zum Strand, wo Wildpferde herumlaufen. Für mich ist es das erste Mal, dass ich auf dieser Reise an einen Strand komme. Ein Stück Kuchen – und der heißt hier auch genau so, es gibt viel deutschen Einfluss in Chile- mit Kaffee beendet diesen gemütlichen ersten Tag auf Chiloé perfekt.

Nebelwald

Nebelwald

Mammutblätter

Mammutblätter

Am Strand, Nationalpark Chiloé

Am Strand, Nationalpark Chiloé

Wildpferde am Strand

Wildpferde am Strand

Tante Emma Laden in Cucao

Tante Emma Laden in Cucao

Die Mole der Seelen

Am nächsten Tag kommt wieder der Fährmann der Toten ins Spiel. Um den Seelen die Abreise in das Paradies zu erleichtern, hat der Künstler Chumono in der Nähe von Cucao eine Mole, die ins Nichts auf den Pazifik führt, gebaut. Diese Mole der Seelen ist zu einer Sehenswürdigkeit geworden. Wir machen uns zu Fuß auf den Weg dorthin, was sich als keine allzu gute Idee erweist. Es sind zwar “nur” 3 Stunden Fußweg, aber an einer viel befahrenen Schotterstraße. Irgendwann reicht es uns, ständig von vorbeifahrenden Autos eingestaubt zu werden und wir fahren per Anhalter weiter. Vom Parkplatz müssen wir noch einmal 40 Minuten laufen, der Himmel ist bedrohlich dunkel und unsere Begeisterung für die Mole der Seelen, schwindet mit jedem Schritt. Endlich sind wir dort, machen ein paar obligatorische Fotos und sind sehr froh, dass wir für den Rückweg einen Fahrdienst auf der Ladefläche eines Pick Ups auftun können. So haben wir noch genug Zeit für: Kuchen!

Auf der Mole der Seelen

Auf der Mole der Seelen

Urlaub auf dem Bauernhof in Chepu

 Auf den Tipp eines anderen Reisenden hin, wollen wir noch zwei Tage auf einem Bauernhof weiter nördlich an der Westküste Chiloés verbringen. Da das noch abgelegener ist als Cucao – nur zweimal pro Woche fährt ein Bus hin – mieten wir uns in Castro ein Auto. Dazu kann ich übrigens nur jedem raten, der nach Chiloé möchte. Ohne Auto ist man dort doch sehr eingeschränkt. Nachdem wir die Autovermietung endlich gefunden haben – sie ist gerade umgezogen, leider sind sie noch nicht auf die Idee gekommen, das auf der Website zu ändern – fahren wir nach Achao, um eine der UNESCO Kirchen aus Holz anzusehen. Schließlich geht es weiter zum Bauernhof, nach Verlassen der Hauptstraße auf einer Schotterpiste, bis wir endlich im Agroturismo Chepu, das abgelegen auf einem Hügel liegt, ankommen. Die nette ältere Dame, die das Agroturismo leitet, tischt uns Riesensteaks mit Kartoffeln und Ei auf.

Am nächsten Morgen machen wir uns mit dem Auto auf den Weg Richtung Strand und da passiert es endlich: Wir sehen ein Pudu! Damit endet aber die Glückssträhne für diesen Tag. Auf dem Weg zum Strand verlaufen wir uns und müssen uns durch ein Gestrüpp aus Mammutblättern kämpfen, um zum Strand zu kommen, der dafür aber wirklich schön ist mit vielen Felsen im Wasser. Als wir mit dem Auto wieder zurück fahren wollen, stellen wir fest, dass der erste Hügel vom Parkplatz weg für ein Auto ohne Allrad-Antrieb kaum zu bewältigen ist (das haben wir auch schon beim runter fahren gemerkt, aber zu spät…). Die Reifen drehen auf den Steinen qualmend durch und eine Fußmatte fällt den Anfahrversuchen zum Opfer. Wir haben sie entsorgt und als verloren gemeldet, so mussten wir nur 10€ dafür bezahlen und das Auto wurde nicht näher begutachtet. Zum Glück kam genau in dem Moment, als wir verzweifelten, ein Mann den Berg herunter, der zufällig australischer Rallye-Fahrer war und sich netterweise bereit erklärte, das Auto nach oben zu fahren.

Wir erholen uns von diesem Schrecken mit Radler und Käsebroten, die uns die nette Bäuerin bringt, und bewundern die Tierwelt um uns herum: Kolibris im Apfelbaum, Katzen, die unser Kartenspiel zerstören, ein entlaufenes Schwein und Kälber, die der Bauer zur Weide treibt.

Pudu!

Pudu!

Unser Bauernhof in Chepu

Unser Bauernhof in Chepu

Strand in Chepu

Strand in Chepu

Kayaken zum Sonnenaufgang

Am letzten Tag auf Chiloé stehen wir freiwillig um halb 6 auf, um auf dem Río Chepu in den Sonnenaufgang zu kayaken. Dummerweise bedeutet das, dass man bei Dunkelheit startet, allzu einladend sieht der Fluss da noch nicht aus. Es ist außerdem ziemlich kalt. Aber zum Glück überwinden wir uns. Langsam wird es etwas heller und die Pflanzen und Baumstämme geben im Morgenlicht ein bizarres Bild ab, das zur mystischen Insel Chiloé passt. Dazu noch der Sonnenaufgang im Nebel – schaurig schön!

Dann ist es Zeit Abschied zu nehmen von Chiloé. Doch die Insel lässt uns beinahe nicht los: die Fischer streiken und blockieren die Hauptstraße zur Fähre. Kein Bus kann daher Chiloé verlassen. Nach einigen Stunden Wartezeit kommen wir aber doch noch an diesem Tag von der Insel.

Bizarre Landschaft im Fluss

Bizarre Landschaft im Fluss

Kayaken im Morgengrauen

Kayaken im Morgengrauen

Sonnenaufgang über dem Río Chepu

Sonnenaufgang über dem Río Chepu

Unterkünfte:
Palafito Cucao Hostel
Agroturismo Chepu

Share on FacebookTweet about this on TwitterPin on PinterestShare on Google+Email this to someone